Die britisch-amerikanische Autorin Alexia Casale hat mit “Die Nacht gehört dem Drachen” einen vielschichtigen und recht philosophischen Roman geschrieben, der sich mit den Themen Missbrauch und Vertrauen auseinandersetzt. Gäbe es eine Kategorie “Das besondere Buch” würde ich diesen Roman dort definitiv einordnen. Er besticht vor allem durch seine sensible und teilweise sehr poetische Erzählweise. 2014 wurde er für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, in der Kategorie “Preis der Jugendjury”. Für Jugendliche ab 13 Jahren und auf jeden Fall auch für Erwachsene!
Evie lebt nun seit einigen Jahren in einer Pflegefamilie. Trotzdem hat sie es erst jetzt gewagt ihren liebevollen, neuen Eltern von ihren ständigen Schmerzen in der Brust zu erzählen. Nach einer Operation erhält sie das Stück Knochen, das sie seit langer Zeit behindert hat. Ihr Onkel Ben schnitzt mit ihrer Hilfe daraus einen Drachen, den Evie oft bei sich hat. Nichts sehnlicher wünscht sie sich, dass er lebendig würde und ihr die Kraft gibt, die sie dringend braucht. Doch eines Nachts spricht der Drache tatsächlich mit ihr und nimmt sie bald darauf auf nächtliche Ausflüge mit nach draußen. Das verändert alles. Denn Evie ist zuvor missbraucht worden…
Das Cover ist toll und sehr zutreffend, aber leider auch zunächst sehr verwirrend: nein, es ist kein Fantasyroman. Definitiv nicht. Das Motiv des Drachens ist hier eher metaphorisch zu verstehen. Es durchzieht den Roman auf geniale Weise und verdeutlicht Evies besondere Art ihr Leid zu bewältigen. Das Besondere daran: der Missbrauch wird nie explizit erwähnt. Sehr wenige Andeutungen lassen Raum für eigene Überlegungen. Auch das Ende macht nachdenklich und überrascht vor allem.
Fazit: Ein in sich gelungener Titel, den man so schnell nicht vergessen wird.
Bücher, die sprachlich teilweise ebenfalls sehr poetisch erzählt sind, sind zum Beispiel “Lieder eines Sommers” von Cath Crowley, “Nichts als Liebe” und “Mein Ein und Alles” von Beth Kephart oder sämtliche Titel von Antonia Michaelis, die über eine sehr ausdruckstarke, bildreiche Sprache verfügt. Romane über das Thema Missbrauch gibt es viele. Eines, das zwar sehr sehr heftig zu lesen ist (erst ab 16 Jahren empfohlen), aber in dem der Missbrauch auch kaum geschildert wird, ist “Die unterirdische Sonne” von Friedrich Ani. Ein herausragendes Buch ist auch “Rotkäppchen muss weinen” von Beate Teresa Hanika, in dem Missbrauch sehr sehr sensibel beschrieben und auch nur angedeutet wird.
Bibliografische Angaben:Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-52061-6 Erscheinungsdatum: 25.Oktober 2013 Einbandart: Hardcover Preis: 14,90€ Seitenzahl: 320 Übersetzer: Henning Ahrens Originaltitel: "The bone dragon" Originalverlag: Faber & Faber Britisches Originalcover:
Die Autorin erzählt von ihrem Buch: (auf Englisch)
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
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