Die deutsche Autorin Margit Ruile hat mit “Dark Noise” einen Thriller geschrieben, der es in sich hat! Eine Geschichte über totale Überwachung, die ungeheuerlichen Möglichkeiten der Bildretusche und eine geheimnisvolle Untergrundgruppe. Brandaktuell und unterhaltsam. Ein Buch, das nachdenklich macht. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Besonders gut geeignet für Jungs ab 14 Jahren und Erwachsene.
Zafer führt ein Leben in Abgeschiedenheit. Er arbeitet als Bildretuscheur und verlässt seine Wohnung nur dann, wenn es unbedingt sein muss. Er mag keine Leute um sich herum und erhält nur ab und zu Besuch von seiner kleinen Schwester. “Er hasste die Straßen mit den vielen Menschen, die U‑Bahnen, das Gedrängel. So viele Details, so viele Kleinigkeiten. Ohren, Augen, Körper, Bewegungen, Haare. Perfekt erschaffen. […] Manchmal ertappte er sich dabei, dass er sich wünschte, die Szene in der U‑Bahn anzuhalten, um sie sich etwas genauer anzusehen.” (Zitat aus “Dark Noise” S.9) Sein Computer, sein Bildbearbeitungsprogramm — das ist seine Welt. Sein Reich, in dem er sich wohl fühlt und in dem er kreativ sein kann: “Nur vor seinem Rechner war er sicher. Hier konnte er alles tun, die Zeit verlangsamen, sich in ihr vor und zurück bewegen, und vor allem konnte er den Rechner in den Ruhezustand versetzen, wann immer er wollte.” (Zitat S.10) Da Zafer seine Aufträge zugemailt bekommt, kann er völlig eigenständig und in seinen eigenen vier Wänden ungestört arbeiten. Er muss Filmsequenzen einer mittelklassigen Soap retuschieren. Mikrofone verschwinden lassen und Schleichwerbe-Artikel unkenntlich machen. Bis er plötzlich einen Auftrag eines ihm unbekannten Absenders erhält: er soll einen Mann von den Bildern einer Überwachungskamera aus einem Hotelflur verschwinden lassen. Für Zafer kein Problem. Die Entlohnung ist ungewohnt hoch und sein nächster Auftrag des selben Unbekannten folgt prompt: Einen anderen Mann in einem Parkhaus auftauchen lassen, obwohl er dort gar nicht war? Nichts leichter als das… Doch dann wird Zafer klar, dass er mitten in einen Mordfall hineingeraten ist. Ein Journalist wurde getötet und der Hauptverdächtige ist ausgerechnet der Mann, der doch niemals in dem Parkhaus gewesen ist…
“Dark Noise” enthält packende Thematiken und interessante Charaktere. Besonders Zafer, aus dessen Hauptaugenmerk die Geschichte erzählt wird, stellt zusammen mit seiner Tätigkeit eine faszinierende Figur dar: “Ja, es gab die in der Sonne, zu denen alle aufsahen, aber es gab auch die im Schatten, die unbemerkt neue Welten schufen. Und er war einer von ihnen. Er war der Schöpfer, ein kleiner Gott an seinem Rechner, der die Geschicke der anderen lenkte, ganz allein, hier aus der Dunkelheit heraus. Er konnte eine Figur verschwinden lassen, so als wäre sie nie da gewesen.” (Zitat S.52) Diese Arbeit zu verfolgen, diese “Magie” mitzuerleben, wie er die Filmsequenzen bearbeitet, liest sich sehr spannend. Dass Margit Ruile aus der Filmbranche kommt und unter anderem als Drehbuchlektorin gearbeitet hat, merkt man dem Erzählton des Buches auch an. Wie sie in Szenen förmlich “hineinzoomt”, beispielsweise an Zafers Wohnung zu Beginn des Buches. Die Sprache ist angenehm, manchmal sogar recht kunstvoll. Was mir zuweilen etwas seltsam vorkam, war die außergewöhnliche Erzählperspektive: “Ich fange nicht mit mir an. Das kann ich nicht. Denn dieses Ich, das ich jetzt bin, wundert sich über die Figur, die sie war. Die beiden sind nicht deckungsgleich. Ich drehe mich um und schaue zurück auf jemanden, den ich gut kenne. Sehr gut kenne. Nennen wir ihn — Zafer. Zafer wohnt also in einer Stadt, die ich nicht verrate…” (Zitat S.7) Zwischendurch gibt es immer wieder kurze Einschübe einer “Ich”-Perspektive, die dann in die personale Erzählsicht, in Zafers Blickwinkeln, wieder hineinwechselt. Das wirkt zum Teil etwas verwirrend und befremdlich: “Zafer, mein Zafer, geistert noch durch das Nichts. Aber hier läuft er schon über die Brücke in sein neues Leben und ich fange an, die Szenerie zu bevölkern. Mit Dingen. mit Menschen. Statisten und Requisiten. Dinge, an denen Zafer jetzt vorbeigeht…” (Zitat S.18) Ab einem Viertel des Romans taucht dann eine neue Figur auf: eine junge Straßenkünstlerin namens Emily, der Zafer eines Tages begegnet und die ihn sofort fasziniert. Somit ist auch eine unerwartete, kleine Liebesgeschichte in das Buch mit eingebunden. Der Titel ist gut gewählt und erklärt sich das erste Mal an folgender Stelle: “Dark Noise” : “Dunkelstrom”, las er. “Ein geringes, durch Wärme entstandenes Rauschen auf digitalen Bildern.” (Zitat S.31) Ist jedoch auch der Name jener geheimnisvollen Untergrundgruppe, der Emily angehört und die in dem Thriller eine große Rolle spielt. Das Ende ist packend, aber leider für mich noch in einigen Dingen (vor allem den Motiven der Personen) etwas ungeklärt.
Wenn dir “Dark Noise” gefallen hat, kannst du auch noch die Vorgeschichte zu dem Buch lesen, die es als E‑Short-Book zu kaufen gibt: “Dark Noise: Argos sieht alles” oder ein weiteres Buch von Margit Ruile namens “Deleted: Traue niemandem”. Noch neuer von ihr ist “God’s Kitchen”, das Anfang des Jahres erschienen ist. Wenn du Thriller magst, die aktuelle, brisante Themen behandeln, dann lies auf jeden Fall noch etwas von der Erfolgsautorin Ursula Poznanski, wie zum Beispiel “Erebos”, “Elanus”, “Layers” oder das ganze neue “Thalamus”. Das Thema Überwachung findest du ebenso in “Little Brother” und “Little Brother: Homeland” von Cory Doctorow, der allgemein sehr viel über Gamer, Hacken, Internetkriminalität schreibt. Oder lies “State of Terror” von Sam Mills aus der Reihe “21st Century Thrill”.
Bibliografische Angaben: Verlag: Loewe ISBN: 978-3-7432-0237-5 Erscheinungsdatum: 17.September 2018 Einbandart: Taschenbuch Preis: 9,95€ Seitenzahl: 288 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(3,5 von 5 möglichen Punkten)