Louis Jensen — 33 Cent um ein Leben zu retten

Louis Jensen 33 Cent um ein Leben zu retten1.März 2015

Der däni­sche Autor Lou­is Jen­sen hat mit “33 Cent um ein Leben zu ret­ten” einen Roman geschrie­ben, von dem man defi­nitv sagen kann: die­ses Buch muss­te geschrie­ben wer­den! Eine Geschich­te über ehr­li­ches Mit­ge­fühl, aus­ufern­de Selbst­lo­sig­keit und Gerech­tig­keit. Bewe­gend, radi­kal und auf­rüt­telnd. Nicht nur für Jugend­li­che ab 14, son­dern auch (und beson­ders!) für Erwachsene.

Es braucht genau 33 Cent, um den Hun­ger eines Kin­des in Afri­ka einen Tag lang zu stil­len. Ledig­lich 33 Cent. Das erfährt der 14-jäh­ri­ge, däni­sche Ich-Erzäh­ler des Buches, des­sen Name nicht genannt wird, in der Schu­le. Das ver­än­dert sein Leben. Er beschließt für Gerech­tig­keit zu sor­gen. Wenn die Erwach­se­nen das schon nicht hin­krie­gen, dann eben er. Er trifft eine neue Rege­lung, die ihm gestat­tet nur noch jeden zwei­ten Tag in die Schu­le zu gehen. Sei­ne Leh­rer fin­den das nicht gut, bewir­ken aber nichts. Der Rek­tor for­dert ihn eben­falls zum Gespräch: “Was ist los?”, frag­te er. “Weil die ster­ben, des­halb”, sag­te ich (Zitat aus “33 Cent um ein Leben zu ret­ten). Und er muss zum Schul­psy­cho­lo­gen. Der Jun­ge rich­tet eine KHK ein, eine Kas­se für hun­gern­de Kin­der. Dort hin­ein kommt sein Taschen­geld. Doch das reicht nicht. Er fängt an in einem Super­markt zu job­ben. Doch das reicht nicht. Er beginnt Klei­dung zu steh­len und wei­ter­zu­ver­kau­fen. Er sam­melt Spen­den auf der Stra­ße, in der Schul­klas­se, bei sei­ner Groß­mutter. Sogar sei­ne Schwes­ter, die in einer rosa Bar­bie- und Lego­schlös­ser­welt lebt, gibt ihm die Hälf­te ihres Taschen­gel­des. Aber auch das reicht nicht. Er ver­kauft all sei­ne Klei­dung, so dass ihm nur ein Paar Schu­he, eine Hose, ein Unter­hemd, eine Unter­ho­se, ein Paar Socken und ein hal­ber Schlips übrig blei­ben. Und dann macht er das Unvor­stell­ba­re: er klaut einen Kühl­wa­gen des Super­mark­tes und fährt mit all der dar­in sich befind­li­chen Ware und sei­ner neu­en und ers­ten Freun­din Anne nach Afri­ka…

Der Roman ist in einer sehr kla­ren und leich­ten Spra­che geschrie­ben, die gera­de durch sei­ne Schlicht­heit inhalt­lich noch umso inten­si­ver wirkt. Unter­schwel­li­ge Iro­nie fin­det sich zwi­schen den Zei­len, als der Jun­ge nach sei­nen Dieb­stäh­len zum Bei­spiel ver­kün­det: “Heu­te haben ich und das Kauf­haus Magasin fünf Kün­dern das Leben geret­tet. Ges­tern half H&M. Wir ret­te­ten drei Kin­dern das Leben.” (Zitat aus “33 Cent um ein Leben zu ret­ten”)

Louis Jensen 33 Cent um ein Leben zu rettenVie­le lite­ra­ri­sche Ver­wei­se bei­spiels­wei­se auf Anti­go­ne, Romeo & Julia, Don Qui­jo­te (Kampf gegen Wind­müh­len) prä­gen das Buch, es wer­den aber auch wie­der­holt Geset­zes­tex­te zum The­ma Steh­len erwähnt. Des Wei­te­ren rückt der Roman beson­ders das Bewusst­sein für Geld in den Vor­der­grund, da er von sehr vie­len Zah­len erfüllt ist. Der Jun­ge rech­net immer­zu wie viel Geld, wie vie­le Leben bedeu­tet. Als er auf dem Kon­to sei­nes Vaters 2.250.646€ ent­deckt, folgt sofort: “Das ent­spricht einem Tag Essen für 6.820.142 Kin­der. Wie vie­le, die bald an Unter­ernäh­rung ster­ben, könn­ten geret­tet wer­den? 68.201.” Es gibt sogar ein Kapi­tel, in dem alle Son­der­an­ge­bo­te eines Super­markts auf­ge­zählt wer­den und am Ende erfolgt die Zusam­men- und Umrech­nung in Kinderleben.

Auch beschäf­tigt sich die Haupt­fi­gur vor allem mit Fra­gen um Gerech­tig­keit, Recht und Gewis­sen und wen­det sich an sei­ne Eltern, sei­ne Groß­mutter und den Pfar­rer im Kon­fir­ma­ti­ons­un­ter­richt: Darf man das? Von den Rei­chen neh­men? Wenn man es den Armen gibt und nicht für sich selbst behält?”  (Zitat aus “33Cent um ein Leben zu ret­ten”) Hier­bei nimmt er sich beson­ders Robin Hood zu sei­nem Vor­bild und ihn lässt die Fra­ge nicht los, wer “der She­riff” ist, also der­je­ni­ge, der von den Armen nimmt. Ist es der Super­markt, in dem er arbei­tet? Sein Vater, der so viel Geld auf sei­nem Kon­to hat? Sind alle Men­schen “der She­riff”? Darf er des­halb von allen neh­men? Am Ende ent­schei­det er sich für die gro­ßen Ein­kaufs­ket­ten, in denen er Klei­dung stiehlt. Eben­falls Johan­nes der Täu­fer (“Wer zwei Hem­den hat, der gebe dem, der kei­nes hat.”) beein­druckt ihn. Es wer­den zugleich jedoch auch in reli­giö­ser Hin­sicht Über­le­gun­gen geäu­ßert: der Name eines Kapi­tels lau­tet: “War­um schwei­gen Gott und sein Sohn Jesus?” Dar­in lau­tet ein Absatz: “Wenn es nun Jesus gäbe und sie gemein­sam Gott wären, dann könn­ten sie ehr­lich gesagt doch die gan­ze Geschich­te in Ord­nung brin­gen!(Zitat aus “33 Cent um ein Leben zu ret­ten”)

Ein meis­ter­haf­tes Buch, das einem die Augen öff­net” schreibt “Poli­ti­ken”, eine der größ­ten Tages­zei­tun­gen Däne­marks. “Das wich­tigs­te Buch des Jah­res 2010” kon­sta­tiert “Ber­lingsike”, eben­falls eine däni­sche Zei­tung. Ganz ohne Fra­ge: die­ser Roman wird auch in Deutsch­land die Gemü­ter erhit­zen und für Dis­kus­sio­nen sor­gen! Vor allem das Ende der Geschich­te erscheint sei­nem Leser wie ein Schlag ins Gesicht, den man erst ein­mal ver­dau­en muss. Eine pro­vo­kan­te wie betrof­fen machen­de Lek­tü­re, die sich auf­grund des Dis­kus­si­ons­be­darfs her­vor­ra­gend als Klas­sen­lek­tü­re oder für eine Buch­vor­stel­lung eignet.Lesealternativen

Über­set­ze­rin ist übri­gens Sig­rid Enge­ler, die auch schon den däni­schen Skan­dal­ro­man Nichts: Was im Leben wich­tig ist” von Jan­ne Tel­ler ins Deut­sche über­setz­te. Die­ses ekla­tan­te Buch ist eine gute Alter­na­ti­ve zu “33 Cent um ein Leben zu ret­ten”. Ein Roman, der sich auch mit dem The­men Robin Hood und Gerech­tig­keit aus­ein­an­der­setzt, ist Pret­ty cle­ver” von Elsa Lud­wig. Eben­falls pro­vo­kant geschrie­ben ist Die Liga der Guten” von Rüdi­ger Bert­ram, in der die Haupt­fi­gur sich nur noch für das Gute ent­schei­den möch­te. Doch was ist gut und was ist böse? Klasse!

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: dtv
ISBN: 978-3-423-62596-8 
Erscheinungsdatum: 1.März 2015
Einbandart: Taschenbuch		
Preis: 7,95€
Seitenzahl: 192
Übersetzer: Sigrid Engeler
Originaltitel: "2 kroner og 25 øre"
Originalverlag: Gyldendal

Dänisches Originalcover:
Louis Jensen 33 Cent um ein Leben zu retten












Dänischer Trailer:
 

Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

 

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Dänisches Cover: Homepage von Gyldendal

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