“Der Junge auf dem Berg” des irischen Bestsellerautoren John Boyne ist jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Genau zehn Jahre nach seinem Erfolgstitel “Der Junge im gestreiften Pyjama” ist dieses Buch (bezieht sich auf die Hardcoverausgabe, die 2017 erschien) nun im Deutschen erschienen und versetzt seine Leser erneut in ein dunkles Kapitel Zeitgeschichte vor und während des Zweiten Weltkriegs. Erzählt aus der Perspektive eines Waisenjungen, der unerwartet in Kontakt mit eben jener Person gerät, die den Namen Adolf Hitler trägt. Eine Geschichte, wie nur ein John Boyne sie erzählen kann! Erschreckend, ergreifend und fassungslos machend. Ein wichtiges Buch, das man so schnell nicht mehr vergessen wird. Für Jugendliche ab 12 Jahren und insbesondere für Erwachsene.
Der kleine Pierrot stammt aus einer deutsch-französischen Familie. Sein Vater ist deutscher Herkunft und seine Mutter Französin. Zusammen leben sie mit einem Hund namens D’Artagnan in Paris. Doch das Leben meint es nicht gut mit dem Jungen: sein Vater, der im ersten Weltkrieg gedient und Schlimmes erlebt hat, verliert allmählich den Verstand und verlässt die Familie, als Pierrot 4 Jahre alt ist. Kurz darauf erfahren sie, dass er ist vor einen Zug gesprungen ist. Drei Jahre später stirbt Pierrots Mutter an Tuberkulose. Während er noch kurze Zeit bei seinem besten Freund Anshel, einem jüdischen, taubstummen Jungen unterkommt, wird der nun 7‑jährige Pierrot schließlich in ein Waisenheim gebracht. Es ist das Jahr 1936. Doch er hat Glück: eine Tante namens Beatrix, die er noch nie zuvor gesehen hat, erfährt vom Tod seiner Mutter und nimmt ihn bei sich auf. Sie lebt auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden mitten in einer imposanten Berglandschaft: “Was er sah, versetzte ihn in Erstaunen. Er stand nicht nur auf dem Gipfel eines Berges; er stand auf einem Berg inmitten einer Ansammlung anderer Berge mit gewaltigen Gipfeln, die bis an die Wolken reichten. […] Etwas Vergleichbares hatte Pierrot in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.” (Zitat aus “Der Junge auf dem Berg” S.116ff) Seine Tante arbeitet dort in einem Anwesen als Hauswirtschafterin und der Herr des Hauses hat es erlaubt, dass Pierrot dort ebenfalls wohnen darf. Etwas merkwürdig findet er nur, dass seine Tante verlangt, dass er ab sofort “Peter” genannt werden soll und niemandem von seinem Freund Anshel erzählen darf. Aber Pierrot macht, was Beatrix sagt. Mit dem Hausherren — der nur gelegentlich zu Besuch kommt und vor dem alle Bediensteten mächtig Respekt haben — versteht der Junge sich eigentlich auch ganz gut: “Er erinnert mich an Papa. Seine Art, über Deutschland zu reden, über die Bestimmung und die Vergangenheit seines Landes. Sein Stolz auf sein Volk. Genauso hat Papa auch geredet.” (Zitat S.172) Doch der Hausherr ist niemand Geringeres als Adolf Hitler. Und er wird Pierrots Leben für immer verändern…
“Der Junge auf dem Berg” wird in insgesamt drei Teilen und einem Epilog erzählt. Teil 1 spielt komplett im Jahr 1936 und zeichnet Pierrots Kindheit, bis hin zum ersten Treffen mit Hitler. Teil 2 beschreibt die Jahre 1937 bis 1940. Und Teil 3 die Jahre 1941 bis 1945. Die Kapitelüberschriften sind hierbei ganz klassisch gestaltet: “Kapitel drei” und darunter eine Überschrift, die zugleich den Inhalt treffend wiedergibt. Der Erzählstil ist der eines personalen Erzählers, der Pierrots Sichtweise widergibt. Interessant ist hierbei, dass zunächst noch der Name Pierrot verwendet wird, obwohl Pierrot längst von allen Peter genannt wird. Irgendwann hat er dann so die “deutsche Identität” übernommen, dass von ihm nur noch als “Peter” erzählt wird. Dies macht die Veränderungen seiner Persönlichkeit noch deutlicher. Und gerade das ist wohl gleichzeitig das Faszinierendste und das Erschreckendste an John Boyles Roman: wie klar und bewegend er Pierrots Entwicklung und seine Beeinflussung durch Hitler zeichnet. In einem Vorwort scheibt der Autor: “Ich hoffe, dass dieses Buch jungen Lesern begreiflich macht, wie leicht man sich selbst aus den Augen verlieren kann, wenn man in den Sog von Ereignissen gerät, deren Dimension man gar nicht durchschaut. Genau das passiert Pierrot in diesem Buch. Er verliert aus den Augen, wer er ist, er verliert das Gefühl für Anstand und Menschlichkeit, einfach weil er so beeindruckt ist von der Autoritätsperson Adolf Hitler.” Dies merkt man auch zu Beginn des Buches, als der Junge von einer Horde Jugendlicher der Hitlerjugend im Zug um sein Butterbrot erleichtert wird. In der Uniform wirken sie anders. Ebenso wie ein uniformierter Mann am Bahnhof, den Pierrot versehentlich anrempelt und der ihm absichtlich auf die Hand tritt. Uniform bedeutet Macht. Groß sein, wichtig sein. Und genau das wünscht sich der Junge irgendwie auch. Andeutungen des Chauffeurs zu diesem Thema interessieren ihn da wenig: “Du weißt, warum Leute Uniformen tragen, oder, Pierrot?”, sprach der Chauffeur weiter. Der Junge schüttelte den Kopf. “Weil sie glauben, dann könnten sie alles machen, was sie wollen. […] Uniformen erlauben es uns, unsere Grausamkeit auszuleben, ohne jemals Schuld zu empfinden.” (Zitat S.126) Wenngleich der Anfang von “Der Junge auf dem Berg” noch etwas schleppend erzählt wird, so ändert sich dies definitiv, als Pierrot auf den Führer trifft und der Schrecken sich langsam und unaufhaltsam seinen Weg bahnt. Man kann sich der Geschichte kaum entziehen, die mit vielen Ereignissen gespickt ist, die sich — geschichtlich gesehen ‑tatsächlich zugetragen haben. Hierfür hat John Boyne sehr viel recherchiert und in jedem Kapitel (abgesehen vom fiktiven Anfang) etwas vorkommen lassen, das sich auf dem Berghof tatsächlich ereignet hat. Besucher, die dorthin kommen, wie beispielsweise der Herzog und Herzogin von Windsor oder der Architekt eines der Konzentrationslager. Auch wird Eva Brauns Geburtstag gefeiert. “In jeder dieser Passagen habe ich mich so eng wie möglich an die historischen Fakten zu halten versucht,” schreibt John Boyne in dem Vorwort, “obwohl ein fiktionaler Charakter im Mittelpunkt steht.” Daher (und im Allgemeinen sowieso) ist der Roman auch ideal für den Schulunterricht geeignet.
Fazit: Ein unvergessliches, betroffen machendes Buch, das definitiv gelesen werden sollte!
Ebenfalls lesenswert ist natürlich John Boynes bekanntes “Der Junge im gestreiften Pyjama”. Wobei die Hauptfigur Bruno eher eine passivere Rolle einnimmt im Gegensatz zu Pierrot. Interessanterweise kommt Leutnant Kotler, in den sich Brunos Schwester Gretel verliebt hat, auch in “Der Junge auf dem Berg” vor, jedoch noch in jüngeren Jahren: er ist einer der Jungen, denen Pierrot im Zug begegnet und bereits Mitglied der Hitlerjugend. Wenn du noch andere Jugendbücher von John Boyne lesen möchtest, dann greif zu (chronologisch nach Erscheinen): “Der Schiffsjunge: Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty”, “Zu schnell” ( Thema: Schuld), “Der Junge mit dem Herz aus Holz” (eine Parabel über den Trost des Erzählens), “Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket” (Thema: Anderssein), “So fern wie nah” (Thema: Erster Weltkrieg). Wie Menschen sich beeinflussen lassen, das findest du auch in dem Klassiker “Die Welle” von Morton Rhue. Mit Schuld auseinandersetzen müssen sich die Jugendlichen in “Das haben wir nicht gewollt” von Paul Zindel (ebenfalls ein amerikanischer Klassiker) und “Warum wir Günter umbringen wollten” von Hermann Schulz. Oder auf sehr heftige Weise in “Dreckstück” von Clémentine Beauvais. Oder lies noch andere Bücher, die während des Zweiten Weltkriegs spielen. Diese findest du in diesem Special.
Bibliografische Angaben: Verlag: Fischer ISBN: 978-3-733-50270-6 Erscheinungsdatum: 27.März 2019 Einbandart: Taschenbuch Preis: 10,00€ Seitenzahl: 304 Übersetzer: Ilse Layer Originaltitel: "The Boy at the Top of the Mountain" Originalverlag: Penguin Random House Britisches Originalcover: John Boyne spricht über sein Buch (auf Englisch):
Kasimiras Bewertung:
(4,5 von 5 möglichen Punkten)
----------------------------------------------- Britisches Cover: Homepage von Penguin Random House Schwarz-weiß Abbildungen: Oben der Berghof im Vordergrund die Haupteinfahrt: Von Bundesarchiv, Bild 183-1999-0412-502 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5348273 Hitler im Haus Von Bundesarchiv, Bild 146-1973-034-42 / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5482732 Große Halle des Berghofs: Von Bundesarchiv, Bild 146-1991-077-31 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5483535 Adolf Hitler und Eva Braun auf dem Berghof Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F051673-0059 / CC-BY-SA, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5457502
Ich brauche ein spannde stelle in den buch der junge auf dem berg weil ich ein buchvorstellung habe die stelle soll spannd sein und 3bis5 min dauern kann jemand helfen
Hallo Elya,
nimm vielleicht die Stelle am Ende von Teil eins. Als Pierrot das erste Mal auf den Hausherrn trifft. Eine entscheidende Stelle in dem Buch.
Lg Kasimira
Können Sie mir bitte die Seite verraten? Ich finde diesen Abschnitt im Taschenbuch nicht.
Welchen Abschnitt meinen Sie denn? Die Seitenzahlen stehen eigentlich immer hinter den Zitaten.
Das Vorwort bezieht sich auf die Hardcover-Ausgabe. Evtl ist diese in der Taschenbuchausgabe nicht enthalten.
Lg Kasimira
wow war sehr cool, gute zusammenfassung, hat mir seeeeehr geholfen!
Schön, das freut mich:-)
Es ist nicht leicht, eine solche zusammenfassung mit allem drum und dran wie diese zu finden ;-)
Auch die Fotos auf dieser Website sind schön und man kann sich besser in diese Zeit hineinversetzten…
Herzlichen Dank!
100 % toller text ;-D
Dankeschön:-)
Können Sie mir bitte die Seite verraten? Ich finde diesen Abschnitt im Taschenbuch nicht.
War der jüdische freund nicht stumm ?
Genau, er war taubstumm, hab es noch mal nachgelesen. Pierrot unterhält sich mit ihm in Zeichensprache.