Erin Jade Lange — Halbe Helden

Erin Jade Lange Halbe Helden13.Juli 2017

Ein rich­tig coo­les Buch hat die ame­ri­ka­ni­sche Autorin Erin Jade Lan­ge geschrie­ben: “Hal­be Hel­den”. Ein Roman über Freund­schaft, Inte­gra­ti­on eines Jun­gen mit Down-Syn­drom und der Suche nach dem Vater. Unter­halt­sam, mit viel Humor erzählt und mit ein wenig Tief­gang. Ein idea­les Buch für Wenig-Leser, Jungs und alle ande­ren Jugend­li­chen ab 14 Jah­ren. Jetzt neu als Taschen­buch erschienen.

Colum­bia, Mis­sou­ri. Der 16-jäh­ri­ge Dane ist nicht gera­de für sei­ne sanf­te Wesens­art bekannt. In der Schu­le schreibt er zwar Best­no­ten, muss­te aber schon x‑Mal nach­sit­zen, weil er sich mit ande­ren geprü­gelt hat. Sei­ne Aggres­si­ons­schwel­le liegt beson­ders nied­rig und da kann ein fal­scher Blick, ein fal­sches Wort, eine noch fal­sche­re Ges­te schon mal dar­in enden, dass “ein Typ aus sei­nem Auto gezerrt wur­de und eine Lek­ti­on in Sachen Stra­ßen­rand­de­mut ver­passt bekam” (Zitat aus “Hal­be Hel­den”, S.7). Manch­mal juckt es Dane ein­fach in den Fin­gern. Es ist ein Krib­beln, dass sich durch sei­ne gan­zen Hän­de zieht, bis in die Fin­ger­spit­zen hin­ein. “Der ein­zi­ge Weg, es los­zu­wer­den, war, die Hän­de zur Faust zu bal­len und die­ser Faust einen Lan­de­platz zu bie­ten.” (Zitat S.7). Bei sei­ner letz­ten Prü­ge­lei hat ihn jedoch ein selt­sa­mer Jun­ge beob­ach­tet, der den Blick gar nicht abwen­den konn­te, von dem, was Dane tat und den er erst Erin Jade Lange Halbe Heldenmit mehr­ma­li­gen Droh­ru­fen davon­scheu­chen muss­te. Die­ser Jun­ge, der sich Bil­ly D. nennt und das Down-Syn­drom hat, ist neu in sei­ne Stra­ße ein­ge­zo­gen. Direkt gegen­über von dem Haus, in dem Dane und sei­ne noch recht jun­ge Mut­ter in eher ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen leben. Danes Mut­ter hat aller­dings eine Glücks­sträh­ne in Sachen Rub­bel­lo­se, jedoch — um das Abrei­ßen die­ser zu ver­mei­den — hängt sie die Gewin­ner­lo­se nur in Bil­der­rah­men an die Wand, ohne die­se ein­zu­lö­sen. Das macht Dane manch­mal ziem­lich fer­tig, zumal er doch so ger­ne ein Auto hät­te, wie ande­re Jugend­li­che in sei­nem Alter. Und jetzt muss er sich in der Schu­le und in sei­ner Frei­zeit auch noch aus­ge­rech­net um Bil­ly D. küm­mern, um einer mög­li­chen Sus­pen­die­rung, die auf all sei­ne Nach­sit­ze­rei wegen Prü­ge­lei fol­gen könn­te, aus dem Weg zu gehen und sei­ne Schul­ak­te ein wenig auf­zu­po­lie­ren. Bil­ly D., der ihm auf dem Weg zur Schu­le immer nach­läuft, der ein wenig alt­klug und gleich­zei­tig naiv wirkt, der sei­ne eige­ne Logik und auf alles eine Ant­wort hat und immer das letz­te Wort behält. Der möch­te, dass Dane ihm dabei hilft sei­nen Dad zu fin­den:

Das ist ja wohl ein Witz, oder? Du wür­dest ernst­haft den Dis­zi­pli­nar­rat anlü­gen und mich nach­sit­zen und viel­leicht sogar von der Schu­le flie­gen las­sen, nur weil ich dir nicht so einen blö­den, unmög­li­chen Gefal­len tun will? […] Das ist Nöti­gung!”, rief ich schließ­lich. Bil­ly sah mich aus­drucks­los an. […] “Ich weiß nicht, was das heißt. Aber ich soll Mr Bel Bescheid sagen, wenn du mir nicht hilfst. Erin Jade Lange Halbe HeldenUnd wenn du mir nicht hilfst, kriegst du Ärger. Also musst du mir hel­fen.” So lang­sam frag­te ich mich wirk­lich, ob unter die­ser unschul­di­gen Mie­ne nicht ein ech­tes Super­schur­ken­hirn am Werk war. Ich wäre ja gern wütend gewe­sen, aber — ver­dammt noch mal — ins­ge­heim war ich beein­druckt.” (Zitat S.52)

Also ver­sucht Dane in einem Atlas, den Bil­ly D.’s Dad ihm hin­ter­las­sen hat, Hin­wei­se zu fin­den, die auf des­sen Ver­bleib rück­schlie­ßen las­sen. Mit von der Par­tie ist See­ly, ein jun­ges Mäd­chen, die meis­tens auf ihrem Skate­board her­um­hängt und von der Dane irgend­wie ganz ange­tan ist. Sie kennt sich super mit Autos aus und stellt eines zur Ver­fü­gung, um auf Spu­ren­su­che zu gehen. Uner­war­te­ter­wei­se schlägt Bil­ly D. Dane vor, dass der sei­nen unbe­kann­ten Vater doch auch suchen könn­te. Aber das will Dane eigent­lich gar nicht… oder etwa doch?

Hal­be Hel­den” fällt schon durch sein außer­ge­wöhn­li­ches Cover auf. Der Buch­um­schlag selbst sieht ein biss­chen wie ein Kar­ton aus, wobei man erst am Ende des Buches dahin­ter kommt, was dies mit der Geschich­te zu tun hat. Trotz­dem — inter­es­san­te Auf­ma­chung, vor allem der Titel ist sehr gut gewählt und passt “wie die Faust aufs Auge”;-) Der Roman ist durch­ge­hend aus Danes Sicht erzählt und lie­fert jede Men­ge wit­zi­ge Dia­lo­ge und viel Situa­ti­ons­ko­mik. Wie zum Bei­spiel fol­gen­de Sze­ne, als Dane merkt, dass er auf dem Schul­weg von Bil­ly D. ver­folgt wird und ihn abschüt­teln will. Er rennt ein­fach los, ver­schafft sich einen Vor­sprung, um sich zu ver­ste­cken und Bil­ly D. dann zur Rede zu stel­len. Die­ser woll­te eigent­lich nur mit Dane zur Schu­le gehen, um sich in Sicher­heit zu wie­gen vor ande­ren Jugend­li­chen, die ihn ärgern:Erin Jade Lange Halbe HeldenUnd du glaubst im Ernst, wenn du mir, ohne mich vor­her zu fra­gen, hin­ter­her­rennst, dann erspart dir das Prü­gel?” “Na ja, jetzt nicht mehr.”, ant­wor­te­te er. “Gut.” Ich dreh­te mich weg Rich­tung Stra­ße. “Jetzt kann ich denen sagen, dass du Angst vor mir hast.” Ich wir­bel­te so schnell her­um, dass ich über mei­ne eige­nen Füße stol­per­te und rück­wärts auf den Bür­ger­steig wank­te. “Wie bit­te?” “Du bist doch eben vor mir weg­ge­rannt.” Er kam mir nach und stampf­te den Tau von sei­nen Schu­hen. “Alter, ich bin nicht vor dir weg­ge­rannt.” “Äh, doch, bist du wohl. Bist sogar noch über die Blu­men gesprun­gen und alles.”” (Zitat S.20). Die Schlag­fer­tig­keit, die Bil­ly D. an den Tag legt, ist wirk­lich beein­dru­ckend. Auch wie er mit sei­nem Han­dy­cap umgeht, zeigt sei­ne Cool­ness: “Down­syn­drom?” “Was denn sonst?”, erwi­der­te er, als rede­te er mit dem zurück­ge­blie­bens­ten Men­schen der Welt. (Zitat S.20). Der Roman demons­triert aller­dings auch wie oft Men­schen wie Bil­ly D. mit Vor­ur­tei­len und Stig­ma­ti­sie­rung zu kämp­fen haben. Sogar Dane, der sich sei­ne begin­nen­de Freund­schaft zu Bil­ly D. zunächst noch nicht ein­ge­ste­hen möch­te, bemerkt dies und ärgert sich dar­über. Aber er wird sich auch all­mäh­lich dar­über im Kla­ren, dass Gewalt nicht immer eine Lösung ist und ein fal­scher Schlag manch­mal ein­fach ein fal­scher Schlag ist. Das Ende ist anders als erwar­tet und doch pas­send, weil es rea­lis­tisch ist. Den­noch hät­te ich mir noch mehr Infor­ma­tio­nen über Bil­ly D.s Aus­gang der Geschich­te gewünscht.

LesealternativenWenn dir “Hal­be Hel­den” gefal­len hat, kannst du noch das ers­te Buch von Erin Jade Lan­ge lesen, das mir sehr gut gefal­len hat und ein außer­ge­wöhn­li­ches The­ma bie­tet: “But­ter”. Ein wenig hat mich der hier rezen­sier­te Roman auch an “Kill all enemies” von Mel­vin Bur­gess erin­nert, in dem es ein Mäd­chen ist, das Pro­ble­me damit hat, sich nicht mit ande­ren anzu­le­gen — eine Geschich­te, in der Freund­schaft genau­so eine Rol­le spielt. Dass Gewalt kei­ne Lösung ist, erfährst du in “Evil” von Jan Guill­ou. Ein coo­les Buch für Jungs ist auch “Der zwei­te Kopf des Richard West­la­ke” von Andy Mul­ligan. Und auf Spu­ren­su­che nach ihrem Vater geht eben­falls die Haupt­fi­gur in “Die Quer­sum­me von Lie­be” von Kat­rin Zip­se.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Magellan
ISBN: 978-3-7348-5400-2
Erscheinungsdatum: 13.Juli 2017
Einbandart: Taschenbuch 
Preis: 13,00€
Seitenzahl: 366
Übersetzer: Sandra Knuffinke
Originaltitel: "Dead ends"
Originalverlag: Bloomsbury

Amerikanisches Originalcover:
Erin Jade Lange Halbe Helden











Amerikanischer Trailer:
 

Kasimiras Bewertung:

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(4 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Amerikanisches Cover: Homepage von Erin Jade Lange

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